Stress beim Hund erkennen und gemeinsam abbauen

Chocolate Labrador an der Leine

Was ist Stress eigentlich?

Stress ist erst einmal nur eine psychische und körperliche Reaktion auf äußere Umwelteinflüsse. Der Körper versucht sich dann durch Ausschüttung verschiedener Stresshormone an diese Veränderungen anzupassen.
Psychologen unterscheiden zwischen positiven Stress (Eustress) und negativem Stress (Distress). 
Die Art von Belastung und welche Strategien wir erlernt haben, mit Stress umzugehen, entscheiden, ob wir Stress als positiv oder negativ wahrnehmen. Die Anspannung vor einem Wettkampf, einer anstrengenden Bergtour oder einem großen Ereignis, wie einer Geburt, kann uns anspornen und wir wachsen über unsere Fähigkeiten hinaus (Eustress).
Sind wir hingegen in einer Situation abgehetzt und überfordert, empfinden wir Distress, der uns langfristig krank machen kann.

Eustress

Distress

kurzfristige, überschaubare  Ereignisse

langfristige, sich häufig wiederholende Ereignisse

fordert, aber mit dem Wissen, die Situation bewältigen zu können

überfordert, weil er sich hilflos und handlungsunfähig fühlt.

macht leistungsfähiger  und mutiger

hemmt und blockiert

wechselt sich mit Entspannung ab

Entspannungsphasen fehlen

macht optimistisch, glücklich und stark

macht ängstlich, gereizt und erschöpft

Auch der Hund kann auf äußere Einflüsse mit Stress reagieren und auch hier kommt es nicht nur auf den Charakter an, sondern auch darauf, welche Strategien das Tier erlernt hat, mit der Situation umzugehen.
Als Hundehalter kennen wir den positiven Stress bei unseren Schützlingen und führen ihn sogar bewusst herbei, durch z.B intensive Arbeit bei der Jagd oder beim Agility-Training, etc..
Offensichtlich negativ stressauslösende Situationen wie Hunger, Einsamkeit oder Schmerzen versuchen wir natürlich unter allen Umständen von unseren Vierbeinern fernzuhalten, jedoch gilt es bei individuellen, weniger offensichtlich negativen Situationen zu erkennen, dass unser Hund gestresst ist.
Wir müssen uns eingestehen, dass für den Hund nicht nur die positiven, sondern auch viele negative Stress auslösende Situationen durch das Zusammenleben mit uns Menschen und unsererem Verhalten ausgelöst werden. Situationen, denen freilebende Wildtiere in dieser Form häufig nicht ausgesetzt sind. So erleiden manche Hunde bei Autofahrten, oder in öffentlichen Verkehrsmitteln Stress. Sie leiden, wenn sie über Stunden in der Wohnung alleine gelassen werden, oder sich im Park angeleint einer für sie bedrohlichen Situation nicht entziehen können.
Mögliche Ursachen für Stress bei Hunden:
  • Menschenmengen
  • unbekannte, laute Geräusche (z.B. Feuerwerk)
  • körperliche und seelische Gewalt 
  • Fremde Personen und Tiere 
  • Schmerzen und Erkrankungen
  • Schlafmangel
  • Fahren in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im Auto 
  • Psychische Probleme 
  • Veränderungen in der Lebenswelt (z.B. Umzüge)
  • Hunger und/oder Futterneid
  • Mobbing unter Hunden
Wie beim Arzt die Untersuchung und richtige Diagnose vor der Behandlung steht, steht bei uns die Verhaltensbeobachtung und die richtigen Schlüsse daraus an erster Stelle.     
Instinktgeleitete Lebewesen, wie unsere Hunde, zeigen, wenn sie nicht gelernt haben, ihre Anspannung in Stresssituationen zu verarbeiten, oft aggressives Verhalten. Manche Hunde ziehen sich aber auch zurück. Mit anderen Worten, der Hund entscheidet sich für den Angriff oder die Flucht. Ignoriert oder missversteht der Mensch dieses Verhalten, kann er durch unangemessene Reaktionen den Stress sogar noch erhöhen.  
Anzeichen für Stress bei Hunden: 
  • Abwehrhaltungen (eingezogene Rute, das Wegdrehen des Kopfes mit einem anschließenden Gähnen, geduckte Körperhaltung
  • vermehrtes Speicheln, Maullecken, unangenehmer Mundgeruch
  • zu häufiges Putzen und Lecken des Fells und der Pfoten
  • Muskelverspannungen und Zittern 
  • häufiges Schütteln
  • deutlich sichtbare Körperanspannung (Aufstellen der Schwanz- und Nackenhaare, flaches Hecheln)
  • vermehrtes Bellen, Winseln oder Jaulen 
  • Übersprungsreaktionen (z.B. plötzliches Rennen, Graben, Bellen)
  • selbstverletzendes Verhalten (Anknabbern der Pfoten, Haare ausreißen oder Jagen des eigenen Schwanzes 
  • Schluckbewegung ohne Nahrungsaufnahme 
  • Entwicklung von Verdauungsproblemen (wiederkehrender Durchfall, Bauchschmerzen, Übelkeit) 
  • Zerstörung von Gegenständen bis hin zur Aggressionsentwicklung 
  • Aufreiten
  • Peniserektion

Damit es erst gar nicht so weit kommt, sollten wir mit unseren Vierbeinern nicht nur Gassi gehen und sie gesund ernähren, sondern ihnen auch Zeit widmen, indem wir sie im Alltag beobachten und so ihre Verhaltensweisen einschätzen lernen. Denn jeder Hund ist ein Individuum und hat seinen eigenen Charakter. Grundsätzlich ist es daher wichtig, Signale zu kennen, die gestresste Hunde aussenden.

Wie man nun unserem Schützling im menschlichen Umfeld ein möglichst stressfreies Leben ermöglicht, füllt zahlreiche Fachbücher, wird in Hundeschulen gelehrt und bis heute wissenschaftlich erforscht. Kernpunkt in der Stressvermeidung und Stressbewältigung ist die Tatsache, dass der Hund als absolutes Rudeltier ein Meister darin ist, nicht nur unsere Kommandos zu befolgen, sondern eben auch unser Verhalten, ja sogar unsere Gefühle zu lesen und sie zu den seinen zu machen.

Erste Aufgabe in der Stressbewältigung ist es daher für uns, dem Hund gegenüber nicht nur in direkten Stresssituationen Ruhe, Gelassenheit und Vertrauen auszustrahlen. Wir neigen dazu, eigenen Stress durch immer mehr Aktivitäten und Herausforderungen zu begegnen und werden selbst zu Getriebenen. So missverstehen wir oft die Unruhe unseres Hundes und reagieren mit noch mehr Aktivitäten und Auslastung, haben jedoch verlernt, gemeinsam zu entspannen, Nähe und Vertrauen aufzubauen.

Der Weg zum stressfreien Hund ist also stückweit ein Weg zu uns selbst. Der Aufbau einer liebevollen, empathischen Verbindung, Gelassenheit, die Vermeidung von Überforderungen, das Wissen um die Gefühle meines Tieres und gegenseitiges Vertrauen.


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